Les baliseurs du désert

von Nacer Khemir, Tunesien, 1984
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«Wanderer der Wüste» vom tunesischen Filmemacher, Maler und Poeten Nacer Khemir spielt in einer vagen Gegenwart. Khemir führt uns bildlich gesprochen ins Leben der Wüste ein. Es ist ein Leben ausserhalb des gängigen Zeitbegriffs. Das Schiff, das da plötzlich vor den Mauern der Stadt liegt, könnte jenes von Sindbad dem Seefahrer sein. Es steht für das Meer, für die Suche nach der Weite, nach dem Anderen hinter dem Horizont. Das Schiff weist einerseits auf die andalusische Brücke: Cordoba ist da und Samarkand nie fern. Die Baliseurs, die Wüstenwanderer, sie ziehen einher, singen ihre andalusischen Lieder, summen vor sich hin, wie der Wind. «Unsere Kinder», sagt der Alte, «sie gehen nach und nach im besten Alter. Der Fluch reisst sie in seine Fata Morgana und löscht sie für immer aus.» Die Wüste verschlingt ihre eigenen Kinder. Der Alte hat sein ganzes Leben dem Buch gewidmet, hat die Seiten neu geordnet, hat es wieder entziffert. Die Wüstenwanderer, meint er, sie sollten es lesen, «um den Fluch zu erkennen». Der Lehrer soll ihm dabei helfen, er, der Mittler zwischen Vergangenheit und Zukunft. Einmal mehr lässt uns der Tunesier träumen, einmal mehr zeigt er uns in Gestalt des Uniformierten auch, wie Träume ihre Feinde haben. Der Offizier jedenfalls regt sich auf, fragt erbost, ob es nicht schon genug Geschichten gebe. Geschichten verunsichern ihn in ihrer Offenheit. Er ist es gewohnt, nach festen Regeln zu denken und zu handeln. Er verliert sich am Ende dafür im Dunkel der Wüste, und übrig bleibt ein einziges Rätsel: Die Zeit. Erinnern wir uns. An den Anfang des Films, zum Beispiel. Der Fahrer des klapprigen Wüstenbusses sagt zum Lehrer, der unterwegs in ein Dorf ist: «Es gibt kein». Erinnern wir uns. An die Bilder des Filmes zum Beispiel, die wie gemalte Tableaus das Dorf zeigen, das es für denjenigen gibt, der es aufsucht. Es ist verfallen zwar, man müsste es auf den alten Grundmauern wieder errichten, aber es existiert in seinem Kern noch. Da sind die Alten, die ihre Weisheit mit sich im Kopf herumtragen, die lebendige Tradition, das alte Wissen verkörpern. Da sind die Kinder, die unbekümmert durch die engen Gassen rennen, die es dann und wann ans Licht zieht und die sich einen Sport daraus machen, mit Spiegelscherben den Garten wieder herbeizuzaubern, den sie nur vom Hörensagen kennen. Nacer Khemir hat den Film seiner «andalusischen Grossmutter» gewidmet, der Vergangenheit, der Tradition, der Brücke zwischen Orient und Okzident. Wie er als Lehrer ins Dorf in der von sandigen Winden durchwehten Wüste fährt, kommt er mit seinem Film als Mittler zu uns.
Walter Ruggle

Festivals & Auszeichnungen

Festival des trois continents Nantes
Montgolfière d‘or
Mostra de València-Cinema del Mediterranian 1985
Winner Golden Palm

Valladolid International Film Festival 1984

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Credits

Originaltitel
Les baliseurs du désert
Titel
Les baliseurs du désert
Regie
Nacer Khemir
Land
Tunesien
Jahr
1984
Drehbuch
Nacer Khemir
Montage
Moufida Tlatli
Musik
Fethi Zgonda
Kamera
Georges Barsky
Ton
Faouzi Thabet
Kostüme
Maud Perl
Ausstattung
Arno Heins, Robert Nardonne.
Produktion
Latif Productions-Satpec, Tunis; France Média s.a., Paris
Formate
35mm, DVD, DCP
Länge
95 Min.
Sprache
Arabisch/d + f + e
Schauspieler:innen
Soufiane Makni (Houcine), Noureddine Kasbaoui (Greffier), Sonia Ichti (Tochter/Fille du Cheikh), Abdeladhim Abdelhak (Hadj), Hedi Daoud (Cheikh), Nacer Khemir (Lehrer), Hassen Khalsi (Officier de police), Jamila Ourabi (Grossmutter), Hamadi Laghmani (Spieler/Joueur), Mohsen Zazaa, Mohamed Ayadi, Mongi Tounsi

Pro Material

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Vorführdatum Vorführung
Veranstalter/Veranstalterin

Pressestimmen

«Seine Bilder von der Wüste und des vom Verschwinden bedrohten Dorfes lassen einen nicht mehr los.» Le Matin

«Ce conte à rêver les yeux ouverts pourrait être un supplément aux «Mille et une nuits». D'entrée Nacer Khemir, cinéaste amoureux de la beauté mystérieuse du désert et qui interprète le rôle principal de l'instituteur, raconte une histoire qui nous fait échapper à la réalité.» France-Soir

«The first film directed by the storyteller, illustrator and poet Nacer Khemir takes an oral legend as its starting point and turns it into a complex allegory. The director lines up mysteries, deceptions and questions without giving answers, but controls his labyrinthine tale with an unobtrusive incantatory skill, favoring the problem of time over that of space. Plain, bare and elliptical, the Tunisian’s directorial debut pays tribute to the splendor of Arab culture through a studied and painterly composition of the shots and sequences and a screenwriting steeped in poetry.» La Biennale Venezia

«Nacer Khemirs Film ist eine Hymne auf die Kindheit und ein Werk über die Sehnsucht nach einer vergangenen Zeitepoche. Ein Bild reiht sich ans andere wie in einem uralten Traum.» Cinématographie

«Ein magischer, kontemplativer Film, der weit von unserer Ruhelosigkeit und unseren Frustrationen entfernt angesiedelt ist.» Cahiers du cinéma

«Der Film besticht von Anfang an durch seine prachtvollen Bilder und seine poetische Sprache. Ganz einfach grossartig.» L'Evénement

«Man vergisst die Gewissheiten des modernen Lenens. Khemir zeigt uns die Elemente der Vergangengheit in atemberaubend schönen und sorgfältig ausgearbeiteten Bildern.» La Revue du Cinéma

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«Man läuft oft einem Traum nach, und wenn man ihn trifft, erkennt man ihn nicht.»

Nacer Khemir