Frontier Blues

von Babak Jalali, Iran, 2009
Bild von

In der Provinz Golestan im Norden Irans leben vier Männer, die darauf warten, dass irgendetwas passiert. Alam ist ein 28-jähriger Turkmene, der davon träumt, mit seiner Ana nach Baku zu reisen. Hassan ist Iraner und nie ohne sein Kassettengerät unterwegs. Sein Onkel Kazem besitzt einen Kleiderladen. Ein Fotograf aus Teheran fährt mit einem turkmenischen Balladensänger durch die Gegend. Ein Film, der durch seine lakonische Erzählweise besticht.

Am Kaspischen Meer ist es trocken Aki Kaurismäki und Jim Jarmusch, die beiden Grossmeister des lakonischen Kinos, lassen cool grüssen. Eine zentrale Figur von Babak Jalalis Erstling Frontier Blues ist ein 55-jähriger turkmenischer Balladensänger. Ein Fotograf aus der fernen Hauptstadt Teheran hat ihn zum Sujet eines Fotobandes auserkoren, in dem die Schönheiten der Grenzregion und Turkmenistans zusammengetragen werden. So will er, dass sich der Musiker ein schönes turkmenisches Pferd besorge und sich darauf setze, auch wenn er gar nicht reiten kann : «Macht nichts, das ist nur fürs Bild. Ein Turkmene auf einem Pferd in der Steppe, das ist das, was die Leute sehen wollen.»

Die Bilder, die wir machen, sind oft die Bilder, die wir schon einmal gesehen haben. Die Bilder, die wir erwarten, ebenso. Babak Jalali trifft eines der elementaren Themen im Austausch zwischen den Kulturen, und er selber weigert sich, vorgegebene Bilder so einfach zu bedienen. Frontal betrachtet er kleine Situationen wie ein Sitzen in der Kneipe, die El Salavador heisst, das Essen zuhause, den Einkauf im Kleiderladen oder das Warten vor dem Haus der Geliebten, ein Warten auf weiter Flur. Er spielt mit uns Zuschauenden, indem er uns in unserer Zuschauerrolle gleich mit einbezieht. Jalali setzt auf Lakonik, spielt mit ihr und über sie mit uns. Das macht seinen Film speziell und erinnert darin eben an andere grosse Lakoniker. Es gibt Orte auf diesem Planeten, an denen die Tatsache, dass nichts geschieht, grosse Action bedeutet. Sie ist nach innen gerichtet, äusserlich kaum wahrnehmbar. Eigentlich ist Frontier Blues ein Film voller Stillleben. Erdennahe Streichermusik verbindet die Bilder mit dem trockenen Boden, auf dem ihre Szenen spielen.

Walter Ruggle

artwork

Credits

Originaltitel
Frontier Blues
Titel
Frontier Blues
Regie
Babak Jalali
Land
Iran
Jahr
2009
Drehbuch
Babak Jalali
Montage
Babak Jalali, Kambiz Saffari
Musik
Noaz Deshe
Kamera
Shahriar Assadi
Ton
Maziar Razaghi
Ausstattung
Marjan Golzar
Produktion
Caspian Films
Formate
35mm
Länge
97 Min.
Sprache
Farsi, Turkmenisch/d/f
Schauspieler:innen
Karima Adebibe (Ana), Abolfazl Karimi, Mahmoud Kalteh, Khajeh Araz Dordi, Behzad Shahrivari

Möchten Sie diesen Film zeigen?

Bitte füllen Sie unser Formular aus.

Vorführdatum Vorführung
Veranstalter/Veranstalterin

Pressestimmen

«Ein Film, so langsam wie eine Zeitlupe, so still wie ein Stummfilm, so schön wie ein Bildband.»
Züritipp, Florian Leu
 
«Der Film hat mehr fotografische als dramatische Ambitionen, erzählt aber mit freundlicher Skurrilität von Menschen in Turkmenistan, die nicht hinter dem Mond sind, obwohl sie dort leben, wo es so aussieht.»
Tages-Anzeiger, Christoph Schneider

«Schön, dass es diesen wunderbaren Film gibt.»
Cineman

«Frontier Blues ist ein Werk der langen Einstellungen, das in seiner poetischen Imitation des Lebens dem gewöhnlichen Alltag immer wieder neue absurde Perspektiven abringt. Darin entwickelt Babak Jalali wiederum einen leisen, aber sehr bestimmten Erzählrhythmus.»
NZZ

"Frontier Blues est un de ces films qui vous travaillent en douceur et en profondeur. Par leur poétique singulière plutôt que par des effets de manche voyants." Le Temps

"Si Frontier Blues cultive l'ennui avec une douce ironie, c'est plutôt une tendresse et une mélancolie infinies qui s'en exhalent, jusqu'à nous en gonfler la poitrine dans quelques moments de grâce." Le Courrier

«Mit seinem Debüt Frontier Blues ist dem jungen iranischen Regisseur Babak Jalali, der heute in London lebt, ein lakonisch-ironisches Porträt des absoluten Stillstands in seiner Geburtsstadt gelungen. Die statisch gefilmten Sequenzen, die den Alltag seiner Protagonisten dokumentieren, erinnern an Filme von Aki Kaurismäki und Jim Jarmusch.»
WochenZeitung, Pascale Schnyder

«Die Episoden von Babak Jalali liefern ein präzises, stilitisch glasklares Stimmungsportrait, welches uns diesen Gemütszustand zwischen Monotonie, Lethargie und Apathie unmittelbar erfahren lässt. Immer wieder findet er (Sinn-)Bilder für die Verhältnisse der Menschen und lässt sie mit einer stimmigen Musik ungefiltert wirken. Vielleicht ermöglicht ihm gerade sein eigenes Fortgehen diesen empathischen und zugleich ironischen, immer aber schonungslosen Blick auf den Reigen authentischer Laiendarsteller.»
Cineman, Eduard Ulrich
 
«Eine skurrile, poetische Perle von Film, die Alltäglichkeiten und Absurditäten eines Ortes erzählt, an dem „weder gestorben noch geheiratet wird“. So sehr manche Figuren und Episoden erheitern, zieht der Film sie nicht ins Lächerliche. Die durchkomponierten, fast regungslosen Bilder entfalten in ihrer staubtrockenen Schönheit den besonderen Zauber des wilden Ostens, wie er immer wieder in Gegenden des ehemaligen Sowjetreichs zu entdecken ist.»
Reformierte Medien, Christine Stark
 
«Für einen Erstling ein beeindruckend beherrschtes Stück Inszenierung, durchaus konterkariert von der Figur des Fotografen, der mit seinen Subjekten unbewusst die gleiche Technik der statischen Aufstellung durchexerziert, wie der Filmer gezielt mit seinen Figuren.»
Radio DRS, Michael Sennhauser

«In statischen Einstellungen und fotographischen Inszenierungen lässt Frontier Blues den Zuschauer in eine Welt eintauchen, die so fremd wie faszinierend ist und eben die Geschichten erzählt, die dort passieren.»
art tv
 
«Mit seinem Regiedebüt Frontier Blues ist dem jungen iranischen Regisseur Babak Jalali, der seit zwei Jahrzehnten in London lebt, eine lakonisch-ironische Dokumentation des absoluten Stillstands in seiner Geburtsstadt gelungen. Die statisch gefilmten, künstlich anmutenden Sequenzen, die mit viel schwarzem Humor und in ästhetischen Endlosschlaufen den Alltag seiner Protagonisten dokumentieren, lassen an Regisseure wie Aki Kaurismäki und Jim Jarmusch denken.»
Amnesty International Magazin, Pascale Schnyder,
 
«Die Bildersprache ist streng, klar und statisch. Manche der Handlungen sind skurril, der Grundton melancholisch. Der Zuschauer hat Zeit, sich Gedanken zu machen und Fragen über das eigene Leben zu stellen. Bei uns wird der Blues einfach schneller gespielt. Wo wird unsere Sehnsucht nach Leben gestillt?»
Factum

 

« Die Grenzregion im Norden Irans zu
Turkmenistan wurde im iranischen Kino
lange vernachlässigt. Es ist eine vielfältige
Landschaft mit trockenen Ebenen,
Bergen und dem Kaspischen Meer. Die
Bevölkerung besteht aus Iranern, Turkmenen
und Kasachen. Ich wurde dort
geboren.
Der Film beleuchtet fragmentarisch den
Alltag einiger Figuren, die in der Region
leben. Das Drehbuch basiert auf dem,
was ich gesehen, gehört und erlebt habe.
Der Film erzählt von der Sehnsucht, dem
Warten, der Erinnerung, verzweifelten
Männern und abwesenden Frauen. Es
geht nicht ganz rund – wo auch immer
das sein mag. »
Babak Jalali