La mirada invisible

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Diego Lerman erzĂ€hlt – dem Roman «Ciencias morales» (Sittenlehre) von MartĂ­n Kohan folgend – von einer 23-jĂ€hrigen Schulangestellten, die zur Zeit der Diktatur in Argentinien als Aufseherin fĂŒr Ordnung sorgen muss und dabei eine Beobachtende, SpĂ€hende wird. Sie will alles richtig und korrekt machen, sollte neutral und streng sein, gleichzeitig lebt sie nicht ohne Empfindungen und Emotionen. La mirada invisible ist ein starker Film ĂŒber den Alltag unter einem Regime, das dem freien Leben keinen Platz einrĂ€umt, eine der grossen Entdeckungen vom Filmfestival Cannes. Lerman schafft es mit einem hervorragenden Schauspielerensemble, die Mechanismen aufzuzeigen, die unter den unmenschlichen Bedingungen einer Diktatur wichtig werden, das schwindende Vertrauen in alle und alles, die Gefahr, im RĂ€derwerk der Perversion eine Rolle zu spielen.

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Die Konformistin
Es gab eine Zeit im europĂ€ischen Kino, die sehr politisch war und dies nicht nur in Bezug auf Themen - sie war es auch in der Form. Zu den grossartigsten Filmen jener Tage gehören Werke wie Il conformista von Bernardo Bertolucci, La caza von Carlos Saura oder Meres tou ‘36 von Theo Angelopoulos. Die Zeiten haben sich gewandelt und mit ihnen auch das Kino. Das kann man ohne Nostalgie und VerklĂ€rung feststellen, das liegt in der Natur der Dinge. Manchmal taucht im Kino ein neuer Film auf, der einen an dieses Potenzial der Siebenten Kunst erinnert. Das kann ein Film wie Lola von Brillante Mendoza sein, in dem der Philippine die adĂ€quate, radikale Form der AnnĂ€herung an seine LebensrealitĂ€t sucht und findet, das kann aber auch der Film eines jungen Argentiniers sein, der sich einer Zeit in seiner Heimat widmet, in der er selber gerade mal reif fĂŒr den Kindergarten war.

Diego Lerman blickt in La mirada invisible zurĂŒck in die Phase der argentinischen MilitĂ€rdiktatur und damit in eine Erfahrung, die verschiedene LĂ€nder Lateinamerikas teilen. Nun haben wir, mag man sagen, schon einige Spielfilme gesehen, die aus dieser Zeit erzĂ€hlen und von den Abscheulichkeiten, die MilitĂ€rköpfe zu organisieren und zu befehlen imstande sind. Lerman interessiert sich nicht dafĂŒr, er erzĂ€hlt kein trauriges Fait divers. Dem preisgekrönten Roman «Ciencias morales» des Schriftstellers MartĂ­n Kohan folgend, betrachtet der Filmemacher vielmehr das PhĂ€nomen der Anpassung und stillen UnterdrĂŒckung. Und er tut dies mit einer atemberaubenden Konsequenz, formal kontrolliert und prĂ€zis, so dass man sich im Kino bald einmal auch an diese grossen Tage des politischen Films in Europa erinnert fĂŒhlt. Der Nachgeborene fragt sich, wie es ĂŒberhaupt möglich war, dass in seiner geliebten Heimat Argentinien eine Diktatur sich aufbauen und halten konnte. Und er betrachtet das PhĂ€nomen des vorauseilenden Gehorsams am kleinen Kosmos einer Schule, an der kleinen Figur einer Angestellten und an den kleinen Formen der UnterdrĂŒckung, die die grossen spiegeln und möglich machen. Lerman hat mit Omar NĂșñez und Juliet a Zylberberg zwei grossartige Schauspielende zur Seite und ein visuelles Bewusstsein, das den Atem stocken lĂ€sst.
Walter Ruggle

Festivals & Auszeichnungen

Quinzaine des realisateurs, Cannes 2010

artwork

Credits

Originaltitel
La mirada invisible
Titel
La mirada invisible
Regie
Diego Lerman
Land
Argentinien
Jahr
2010
Drehbuch
Diego Lerman, MarĂ­a Meira
Montage
Alberto Ponce
Kamera
Álvaro Gutiérrez
KostĂŒme
Sandra Fink
Produktion
NicolĂĄs Avruj, Rodolfo Cova
Formate
35mm, DVD, Blu-ray
LĂ€nge
96 Min.
Sprache
Spanisch/d/f
Schauspieler:innen
Omar NĂșñez (Biasutto), Julieta Zylberberg (La Preceptora), Marta Lubos, Gaby Ferrero

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Pressestimmen

«La mirada invisible gilt ĂŒber Argentinien hinaus fĂŒr alle Diktaturen und ist angesichts der AufstĂ€nde in Nordafrika ungewollt aktuell.»

Berner Zeitung

«Diego Lerman ist mit La mirada invisible ein eindrĂŒckliches Werk gelungen. Er fĂŒhrt dem Publikum schmerzhaft vor Augen, wie der Druck auf das Individuum stetig zunimmt und sich – gesteuert durch den langen Arm der Machthaber – zuerst in versteckter und schliesslich in offener Gewalt entlĂ€dt.»

Amnesty Magazin

"La puissance du film est vraiment cette dimension universelle, complĂštement atemporelle, qui nous pousse constamment Ă  nous interroger sur nos propres rĂŽles en cas de dictature. - Avec une performance exceptionnelle de Julieta Zylberberg."

Espace 2, Raphaële Bouchet

«Eine der stÀrksten Metaphern zur Diktatur, die wir bis heute gesehen haben.»

Norbert Creutz, Le Temps

«Regisseur Lerman setzt die unterdrĂŒckten Triebe als Metapher fĂŒr die UnnatĂŒrlichkeit des faschistischen Zucht-und-Ordnung-Gehabes ein. Er zeigt dies in langen Einstellungen, die an das politische Autorenkino der siebziger Jahre erinnern. In diesem eindrĂŒcklichen, hervorragend gespielten Film entspricht die cineastische Form auf perfekte Weise dem Inhalt.»

NZZ am Sonntag, Christian Jungen

«Film politique à taille humaine et fable morale sur les mécanismes psychologiques d'une dictature, La mirada invisible, par le jeu subtil et profond de ses acteurs et le soin apporté àa sa mise en scÚne, réussit à capter ce moment fragile et mystérieux du changement, de la fin d'un rÚgne.»

Le Courrier

«Julieta Zylberberg spielt die junge Marita mit spröder, verhÀrmter Schönheit.»

Sonntagszeitung

"A travers le regard de son personnage, qui croit complÚtement au systÚme, Diego Lerman donne d'autant plus de force à sa métaphore."

RSR

«In streng durchkomponierten Bildern und mit sparsamen Dialogen gelingt es Diego Lerman wĂ€hrend 90 Minuten eine AtmosphĂ€re von Terror und EinschĂŒchterung erlebbar zu machen. Gleichzeitig stellt er die unglaubliche AbsurditĂ€t faschistischer Ideologien bloss.»

Apéro

«Konsequenter hĂ€tte man MartĂ­n Kohans preisgekrönten Roman Sittenlehre nicht in Bilder ĂŒbersetzen können.»

Berner Zeitung, Tina Uhlmann

«Mit La mirada invisible zeigt Diego Lerman seine wahre Meisterschaft. Ein grosser, bewegender Film – aber nichts fĂŒr zart besaitete GemĂŒter.»

WochenZeitung, Niklaus SchÀfer

«Lerman hat mit Julieta Zylberberg und Omar NĂșñez zwei grossartige Schauspielende zur Seite und ein visuelles Bewusstein, das den Atem stocken lĂ€sst.»

451

«La mirada invisible ist ein ungemein starker Film ĂŒber den Alltag unter einem Regine, das dem Leben keinen Platz einrĂ€umt.»

Latino

«Ein poetischer Film in menschlichen Dimensionen.»

Le Courrier

«Mit starkem Schauspielensemble spĂŒrt La mirada invisible der Lust am UnterdrĂŒcken und der unterdrĂŒckten Lust nach. Packend, solange sie brodelt. Verstörend, wenn sie am falschen Ort ausbricht.»

Stefan Strittmatter

«Die grosse Kraft dieses Films ist seine universelle GĂŒltigkeit, die vollkommen unmodisch daherkommt und uns stĂ€ndig zwingt, uns ĂŒber unser eigenes verhalten Gedanken zu machen, wenn wir in der Situation einer Diktatur wĂ€ren.

Raphaële Bouchet, Espace 2

«La mirada inivisible ist eine visuell höchst eindringliche Parabel auf die Macht und ihre Verinnerlichung. Ein Film wie ein Sog.»

ProgrammZeitung, Alfred Schlienger

"AdmirĂ© Ă  Cannes, La mirada invisible apporte la confirmation espĂ©rĂ©e du talent de Diego Lerman, aprĂšs son LĂ©opard d’argent Ă  Locarno en 2002 pour Tan de repente. - Une des plus puissantes mĂ©taphores de la dictature vues Ă  ce jour."

Le Temps, Norbert Creutz

Durch den Blick seiner Hauptfigur, die absolut ans System glaubt, verschafft Diego Lerman seiner Metapher eine noch viel stÀrkere Kraft.»

Radio Suisse Romande

Ein politischer Film in menschlichen Dimensionen und eine moralische Fabel ĂŒber die Mechanismen einer Diktatur.»

Le Courrier

«Dérangeant de bout en bout, La mirada invisible déclenche, dÚs ses premiers images, un mécanisme de mine antipersonnel qui, aprÚs une implacable gradation de la tension, finit par exploser dans un final exemplaire.»

Le Temps

«Adaption du roman argentin Sciences morales de MartĂ­n Kohan, La mirada invisible brosse un portrait sordide de l'Argentine sous la dictature des annĂ©es quatre-vingt. Avec un style sobre, Lerman place la dictature hors champs est installe sa camĂ©ra derriĂšre les murs Ă©pais d'un lycĂ©e d'Ă©lite, oĂș l'Ă©ducation passe par la rĂ©pression morale, psychique et sexuelle. A l'intĂ©rieur de ce microcosme, une jeune surveillante, exceptionnellement interprĂ©tĂ© par la jeune Julieta Zylberberg, deviendra, par son excĂšs de zĂšle, un rouage de la machine rĂ©pressive.»

Quinzaine des réalisateurs