Bernardo Bertolucci
In Rom ist der Regisseur von «Novecento» gestorben
Der italienische Filmemacher Bernardo Bertolucci ist im Alter von 77 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Er zählt zu den herausragenden Filmschaffenden des europäischen Autorenkinos in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Angefangen hatte er zur Zeit der Nouvelle vague 1962 mit «La commare secca», auf den 1964 der stark persönlich geprägte «Prima della rivoluzione» folgte. 1968 erfasste er mit «Partner» die Stimmung der 68er-Zeit - der Film erscheint in diesen Tagen erstmal als DVD in der edition trigon-film.
Den eigentlichen Durchbruch schaffte Bertolucci mit den brillanten politischen Gesellschaftsstudien «La strategia del ragno» (1970) und «Il conformista» (1971), bevor er den Skandalfilm des Jahres 1972 drehte: «Ultimo tango a Parigi», der heftig diskutiert und von allen gesehen wurde - allein in Zürich lief er über 65 Spielwochen im Kino. In «Novecento» nahm uns der Regisseur auf eine Zeitreise durchs Italien des 20. Jahrhunderts mit, beginnend mit dem Tod Verdis und mündend im Faschismus der 1940er Jahre. Den grössten kommerziellen Erfolg verzeichnete Bernardo Bertolucci 1987 mit «The Last Emperor», für dessen Dreh er als erster Ausländer Zugang zu Beijings Verbotener Stadt erhielt. Er hatte hier nicht nur ein anderes Dekor als sein heimisches italienisches gesucht, er hat die Perspektive des Volkes gleichzeitig verlassen, hat sich auf die Herrscherseite geschlagen, um von dort, immerhin, wieder auf die Ebene des Volkes zurückzukehren. Der Film hat ihm neun Oscars, eine Zahl, die kein europäischer Regisseur vor ihm erreicht hatte. Am 16. März 1941 in Parma als Sohn einer Literaturlehrerin und eines Dichters geboren, fühlte sich Bernardo Bertolucci früh zum Film hingezogen und arbeitete als Assistent von Pier Paolo Pasolini bei «Accatone». Darauf erhielt er, gerade mal 21 Jahre jung, die Chance, seinen ersten eigenen Kinofilm zu drehen.