Jafar Panahi im Hungerstreik
Der iranische Filmemacher kämpft gegen das Unrechtsystem
Wie diverse deutsche Zeitungen berichten, hat der iranische Regisseur Jafar Panahi zum letzten Mittel des Hungerstreiks gegriffen, um dagegen zu protestieren, dass er widerrechtlich seit sieben Monaten im Gefängnis steckt – «illegal, selbst nach iranischen Gesetzen», wie die Welt berichtet, die Panahis Schreiben vom 2. Februar 2023 integral publiziert:
«Am 20. Juli des vergangenen Jahres, aus Protest gegen die Verhaftung von zwei unserer geliebten Kollegen, Mohammad Rasulof und Mostafa Al-Ahmad, habe ich mich zusammen mit einer Gruppe von Filmemachern vor dem Evin-Gefängnis versammelt. Es wurde beschlossen, dass einige von uns und die Anwälte der inhaftierten Kollegen das Evin-Gerichtsgebäude betreten würden. Wir sprachen friedlich mit den zuständigen Behörden und dem zuständigen Ermittler, als ein Beamter kam und mich zum Richter der Abteilung 1 der Strafvollstreckung von Evin brachte. Der junge Richter sagte, ohne sich vorzustellen: ‚Wir haben Sie in den Lüften gesucht, wir haben Sie hier gefunden. Sie sind verhaftet!‘
Auf diese Weise wurde ich festgenommen und in das Evin-Gefängnis zur Vollstreckung einer Strafe überführt, die elf Jahre zuvor verhängt worden war. Nach dem Gesetz, wegen dem ich damals verhaftet wurde, verjähren solche Strafen nach zehn Jahren der Nicht-Vollstreckung und sind danach nicht mehr vollstreckbar. Deshalb glich diese Verhaftung eher einem Banditentum und einer Geiselnahme als der Vollstreckung eines Gerichtsurteils.
Nicht nur meine Verhaftung war illegal, es gelang der Justiz auch – ein Verstoss gegen das entsprechende Gesetz von 1990 – das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof am 15. Oktober 2022 wieder aufnehmen zu lassen. Mit der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme wurde der Fall an eine untere Instanz zurückverwiesen; danach hätte ich sofort gegen Kaution freigelassen werden müssen. Wir haben zwar gesehen, dass es weniger als dreissig Tage von der Verhaftung bis zur Hinrichtung der unschuldigen Jugendlichen unseres Landes dauert; es dauerte aber mehr als hundert Tage, meinen Fall unter Einschaltung der Sicherheitskräfte an die Behörde zu übergeben.
Das Gesetz schreibt eindeutig vor, dass der Richter der unteren Instanz verpflichtet ist, mich durch einen Kautionsbeschluss freizulassen, sobald der Fall an seine Zuständigkeit verwiesen wurde. Durch den Erlass einer hohen Kautionssumme werde ich nach monatelanger Haft immer noch im Gefängnis festgehalten, mit wiederholten Ausreden der Sicherheitsbehörden. Bei diesem Verhalten haben wir es mit schikanösen und aussergesetzlichen Sicherheitsbehörden und einer bedingungslosen Unterwerfung der Justiz zu tun, sowie mit der selektiven Anwendung von Gesetzen.
All das ist nur ein Vorwand für Repression. Auch wenn ich wusste, dass die Justizbehörden und die Sicherheitsinstitutionen nicht gewillt sind, das Gesetz wirklich umzusetzen (obwohl sie das behaupten): Aus Respekt vor meinen Anwälten und Freunden habe ich alle legalen Wege beschritten, um mein Recht zu bekommen. 'Ich habe keine andere Wahl'.
Heute habe ich, wie viele Menschen, die im Iran gefangen sind, keine andere Wahl, als gegen dieses unmenschliche Verhalten mit meinem liebsten Besitz, nämlich meinem Leben, zu protestieren.
Deshalb erkläre ich mit Nachdruck, dass ich aus Protest gegen das aussergesetzliche und unmenschliche Verhalten des Justiz- und Sicherheitsapparats und gegen meine Geiselnahme seit dem Morgen des 2. Februar in einen Hungerstreik getreten bin. Ich werde mich bis zu meiner Freilassung weigern, zu essen und zu trinken und Medizin zu mir zu nehmen. Ich werde in diesem Zustand verbleiben – bis vielleicht mein lebloser Körper aus dem Gefängnis befreit wird.
In Liebe für den Iran und die Menschen in meinem Land,
Jafar Panahi.»
Zwei der Filme von Jafar Panahi sind auf filmingo.ch zu sehen.
TAXI TEHERAN (Goldener Bär Berlinale)
Zu sehen ist auf filmingo.ch auch THERE IS NO EVIL der Goldene Bär von Mohammad Rasoulof, der im selben Gefängnis gefangen gehalten wird wie Jafar Panahi und weitere Künstlerinnen und Künstler. Rasoulof hat derzeit aus gesundheitlichen Gründen einen zweiwöchigen medizinschen Hafturlaub bewilligt erhalten. Wieder freigelassen wurde die Schauspielerin Taraneh Alidoosti, die unter anderem in ABOUT ELLY von Asghar Farhadi eine Hauptrolle spielte. Weiterhin ohne Pass und Bewegungsfreiheit lebt Mani Haghighi, der ebenfalls mehrere Filme mit Taraneh Alidoosti gedreht hat und daran gehindert wird, seinen neuen Film SUBTRACTION an internationalen Premieren zu begleiten.
Frau, Leben, Freiheit - die drei Wörter, mit denen die Menschen im Iran gegen die Religionsdiktatur kämpfen.
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