Terra em transe - Land Entranced

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Im imaginĂ€ren Land Eldorado erzĂ€hlt der sterbende Schriftsteller und Journalist Paulo von seinen Nöten. Er schwankte stets zwischen zwei AnwĂ€rtern auf das höchste Staatsamt: Don Porfirio Diaz, dem Politiker der Hauptstadt, und Don Felipe Vieira, dem Statthalter der Provinz Alecrim. Vieira, dem die Kirche zur Seite stand, hielt seine Wahlversprechen nicht ein, der mystische Diaz wurde von Don Julio Fuentes und den Medien unterstĂŒtzt.
Der Film, der als Glauber Rochas wichtigstes und polemischstes Werk gilt und unbemerkt von der brasilianischen MilitÀrdiktatur gedreht wurde, bestÀtigt das geschÀrfte politische und soziale Gewissen des Filmemachers. Durch seine soziale Sprengkraft beweist das in mancherlei Hinsicht revolutionÀre Werk Rochas GenialitÀt, ist sein zentrales poetisches und politisches Manifest. Dieser Klassiker des lateinamerikanischen Kinos wurde Àusserst sorgfÀltig restauriert (es handelt sich um den ersten Spielfilm Lateinamerikas, der ganz in Digitaltechnik restauriert wurde). Dadurch zeichnet sich der Film heute erneut durch dieselbe QualitÀt wie bei seiner Premiere vor vierzig Jahren aus - und eben auch durch seine Sprengkraft.

Festivals & Auszeichnungen

Golden Leopard Locarno 1967

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Credits

Originaltitel
Terra em transe - Land Entranced
Titel
Terra em transe - Land Entranced
Regie
Glauber Rocha
Land
Brasilien
Jahr
1967
Drehbuch
Glauber Rocha
Montage
Eduardo Escorel
Musik
SĂ©rgio Ricardo
Kamera
Luiz Carlos Barreto
Ton
Aluizio Viana
Ausstattung
Paulo Gil Soares
Produktion
Zelito Viana, Luiz Carlos Barreto, Carlos Diegues, Raymundo Wanderley, Glauber Rocha
Formate
35mm, DVD, DCP
LĂ€nge
106 Min.
Sprache
Portugiesisch/d/f
Schauspieler:innen
Jardel Filho (Paulo Martins), Paulo Autran (Porfirio Diaz), José Lewgoy (Felipe Vieira), Glauce Rocha (Sara), Paulo Gracindo (Don Julio Fuentes), Hugo Carvana (Alvaro), Danuza Leão (Silvia), Joffre Soares (Father Gil), Modesto De Souza (Senator), José Marinho (Jeronimo)

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Pressestimmen

Der Regisseur ĂŒber den Film

«TERRA EM TRANSE ist eine Parabel ĂŒber die Politik der kommunistischen Parteien in Lateinamerika. FĂŒr mich stellt Paulo Martins einen typischen Kommunisten Lateinamerikas dar. Er steht der Partei nahe, ohne ihr anzugehören. Er hat eine Geliebte, die in der Partei ist. Er stellt sich in den Dienst der Partei, wenn diese Druck auf ihn ausĂŒbt, aber er mag auch die Bourgeoisie, in deren Dienst er steht. Im Grunde verachtet er das Volk. Er sieht in den Massen ein spontanes PhĂ€nomen, aber die Massen sind eben eine komplizierte Angelegenheit. Die Revolution bricht nicht aus, so sehr er sich das auch wĂŒnscht, und so wird er zum politischen Abenteurer. Am Schluss der Tragödie stirbt er.

In Deus e o Diabo na Terra do Sol (1964) ist Antonio das Mortes primitiver, er nimmt Geld von den Machthabern an, er muss die Armen töten, den Wanderprediger und den Cangaceiro [Banditen in der SteppenwĂŒste des Nordostens], aber er weiss, dass diese Menschen Opfer eines bestimmten sozialen Kontextes sind, ohne sich dessen bewusst zu sein. Antonio ist ein GewalttĂ€ter, wĂ€hrend Paulo ein Intellektueller ist. (...) Ein Detail verleiht der Flucht Paulos und vor allem seiner Verwundung durch einen Polizisten einen imaginĂ€ren Aspekt: Als der Polizist auf ihn schiesst, wird der Bildablauf fragmentiert, wodurch seine Bewegungen etwas Irreales und Mechanisches erhalten. In einem Western kann man die ganze Bewegung darstellen, denn man dreht sie aus Spass an der Sache. Als Antonio in Deus e o Diabo zum ersten Mal in Aktion tritt, das heisst: tötet, habe ich diese Szene in gleicher Weise fragmentiert, denn das Interessante daran ist nicht die Aktion, sondern ihr symbolischer Charakter. (...) Der Schluss ist sehr lang: Er soll irritieren, denn ich glaube, dass nach vierzig Sekunden die Menschen zu verstehen beginnen, dass diese Maschinengewehre eine Bedeutung haben. Ich habe auf dieser LĂ€nge bestanden.

Der Film wurde weitgehend mit der Handkamera gedreht. Man spĂŒrt geradezu die Haut der Figuren; ich habe versucht, eine dokumentarische Haltung zu finden. Alles, was als Fiktion erscheint, beruht auf Fakten. Ich habe Zeitungsarchive aufgesucht, um mir die Photographien von Politikern anzusehen. Als PrĂ€sident Kubitscheck zur Einweihung nach Brasilia kam, schenkten ihm die Indios tatsĂ€chlich den Helmbusch eines HĂ€uptlings. Als ich die Wahlen drehte, wĂ€hrend der der alte Senator mit den Leuten zu tanzen anfĂ€ngt, liess ich eine echte Samba-Schule kommen und Vieira tanzen. Genauso habe ich es in Deus e o Diabo gemacht, wo die Bauern wirklich glaubten, dass der, der den SebastiĂŁo spielte, ein echter Wanderprediger sei. Die Szene, in der der Senator tanzt, war nicht vorgesehen, aber plötzlich liess sich der Darsteller von der Musik und von der Rede mitreissen, und wir drehten das Ganze mit der Handkamera. (...) In einer anderen Szene liess ich den Darsteller des Vieira mitten im Volk agieren, und die Leute dachten, es handele sich tatsĂ€chlich um echte Wahlen und Vieira sei ein echter Kandidat. Auch in den Szenen im Innern des Landes, als Vieira sich bei den Leuten aus der Stadt bedankt, ging es zu wie bei echten Wahlen: Als er seine Rede begann, wollte die Polizei die Dreharbeiten unterbrechen, weil zu viel Trubel entstand und die Menschen auf der Strasse tatsĂ€chlich fĂŒr Vieira stimmen wollten. Wir filmten zu einer Zeit, als gerade Parlamentswahlen stattfanden. Ich habe die Situation ausgenĂŒtzt und schnell alles mitdrehen lassen, an einem Sonntagnachmittag. Die Szene vom Anfang der Wahlkampagne Vieiras und alles, was dabei geschieht, ist ganz spontan entstanden.

Ich habe immer wieder ‘Les chants de Maldoror‘ [‘Die GesĂ€nge des Maldoror‘ von Isidor Ducasse, erschienen 1874 in BrĂŒssel unter dessen Pseudonym Comte de LautrĂ©amont] gelesen, leider nur auf Portugiesisch, denn in Brasilien fand ich keine französische Ausgabe. Was mich an diesem Buch beeindruckt hat, ist die stĂ€ndige Tortur. Es gibt hier einen Realismus des Erbrechens. Die Struktur meines Films wurde sehr heftig kritisiert, vor allem seine angeblich lĂ€cherlichen Aspekte. Aber ich wollte eben diesen Anschein des Erbrechens vermitteln: Paulo ist ein Mensch, der selbst seine Gedichte auskotzt, und die letzten

Sequenzen des Films sind ein stĂ€ndiges Kotzen. Der Monolog ist sicherlich nicht so gelungen wie der von LautrĂ©amont, aber es ist die gleiche Angst in ihm zu spĂŒren. Ich habe zuerst diesen Monolog geschrieben, dann einige Gedichte und schliesslich das Drehbuch. Beim Schnitt habe ich den Monolog eingefĂŒgt. Am Anfang des Films steht ein Zitat von Mario Faustino. Er war der grösste brasilianische Dichter meiner Generation. Bei einem Flugzeugabsturz kam er im Alter von 33 Jahren ums Leben. Er hat ein Buch geschrieben, das unter jungen Lesern sehr populĂ€r wurde: ‘Der Mensch und seine Stunde‘. Im Gedicht ‘Grabschrift fĂŒr einen Dichter‘ heisst es: „Ich konnte den edlen Vertrag nicht unterschreiben zwischen dem blutigen Kosmos und der reinen Seele. Toter, doch unversehrter Gladiator. So viel Gewalt und so viel ZĂ€rtlichkeit.“ Das habe ich in meinem Film verwendet, als eine Hommage. Mario Faustino war Paulo Martins sehr Ă€hnlich.» Glauber Rocha, in: Positif, Nr. 91, Paris 1968